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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 11.12.2008
Aktenzeichen: 9 A 3057/05
Rechtsgebiete: StrReinG NRW
Vorschriften:
StrReinG NRW § 4 Abs. 1 |
Tatbestand:
Die Beteiligten stritten darüber, ob die Kläger nach der einschlägigen Satzung verpflichtet sind, den Stichweg, an den ihr Grundstück auf der gesamten Länge seitlich angrenzt, bis zur Mitte des Weges zu reinigen, während der Eigentümer des Vor-Kopf-Grundstücks nach Auffassung des Beklagten nicht reinigungspflichtig sein soll. Der Klage der Kläger auf Feststellung, nicht reinigungspflichtig zu sein, gab das VG statt. Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg.
Gründe:
Den Klägern ist die Reinigungspflicht durch das geltende Straßenreinigungsrecht der Stadt (§ 4 StrReinG NRW i. V. m. § 2 Abs. 1 und 2 der Satzung) nicht wirksam übertragen worden. Dabei kann auf sich beruhen, ob der Stichweg wirksam als öffentliche Straße gewidmet ist. Denn jedenfalls ist § 2 Abs. 1 und 2 der Satzung mangels der rechtsstaatlich erforderlichen Bestimmtheit nichtig. Rechtsgrundlage für die Übertragung der Reinigungspflicht auf die Grundstückseigentümer ist § 4 Abs. 1 StrReinG NRW. Nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift können die Gemeinden die Reinigung der Gehwege durch Satzung den Eigentümern der an die Gehwege angrenzenden und durch sie erschlossenen Grundstücke auferlegen. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 StrReinG NRW können die Gemeinden die Reinigung der Fahrbahn den Eigentümern der an die Straße angrenzenden und durch sie erschlossenen Grundstücke übertragen, soweit dies unter Berücksichtigung der Verkehrsverhältnisse zumutbar ist. Da sich Pflichten für die Anlieger ausschließlich aus den Regelungen der Straßenreinigungssatzung ergeben, müssen diese dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot genügen. Sie müssen so eindeutig sein, dass der Anlieger über den Umfang seiner Pflichten nicht im Unklaren ist. Er muss genau wissen, welche Handlungen von ihm konkret verlangt werden. Insoweit gilt ein strenges Gesetzmäßigkeitsprinzip.
Vgl. OLG Hamm, Urteil vom 30.11.1989 - 27 U 127/89 -, VersR 1991, 1419; Wichmann, Straßenreinigung und Winterdienst in der kommunalen Praxis, 3. Aufl. 2000, Rdnr. 154.
Ausgehend hiervon erweist sich § 2 Abs. 1 und Abs. 2 der Satzung für die Fallgestaltungen als unvollständig, in denen es um geschlossene Straßenzüge geht. Dies betrifft etwa Stichstraßen oder Sackgassen, sei es, dass sie - wie hier - vor Kopf enden, d. h. die gleiche Straßenbreite auf der gesamten Länge haben, sei es, dass an ihrem Ende ein Wendehammer errichtet ist. In diesen Fällen gibt es mehr als zwei Straßenseiten. Dies folgt bei Wendehämmern daraus, dass der Bereich, der sich an den Hauptzug der Straße anschließt, nicht eindeutig einer bestimmten (bisherigen) Straßenseite zugeordnet werden kann. Insoweit beinhaltet § 2 Abs. 1 der Satzung keine eindeutige Regelung, wen die Reinigungspflicht trifft bzw. welche Fläche von ihr erfasst wird. Während nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der Satzung jeder angrenzende Anlieger reinigungspflichtig sein soll, sind nach Satz 2 der Bestimmung ausschließlich die Grundstückseigentümer "beider", d. h. zweier Straßenseiten erwähnt, obwohl die genannten Straßen mehr als zwei Seiten aufweisen.
Die zuvor beschriebene normative Unklarheit gilt auch bezüglich der Gehwege. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 6 der Satzung gelten als Gehwege auch Fahrbahnränder von Straßen, die auf keiner Seite einen erkennbar abgeteilten bzw. abgegrenzten Gehweg besitzen, in einer Breite von einem Meter. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der Satzung wird die Reinigung der (selbstständigen und unselbstständigen) Gehwege den Eigentümern der an sie angrenzenden und durch sie erschlossenen Grundstücke im Rahmen der Angrenzungsbreite auferlegt. Hat ein Gehweg beidseitige Reinigungsverpflichtete, erstreckt sich die Reinigungsverpflichtung jeweils bis zur Gehwegmitte (§ 2 Abs. 2 Satz 2 der Satzung). Bei wörtlichem Verständnis dieser Satzungsbestimmungen ist für den Normadressaten nicht erkennbar, ob z. B. der Eigentümer des Grundstücks vor Kopf des Stichwegs, für den mit Blick auf § 1 Abs. 1 Satz 6 der Satzung ebenfalls ein fiktiver Gehweg vor seinem Grundstück anzunehmen ist, eine Reinigungsverpflichtung besitzen soll. Derartige Unsicherheiten sind nicht zuletzt wegen § 9 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung, wonach ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig seiner Reinigungspflicht nach § 2 der Satzung nicht nachkommt, im Hinblick auf die insoweit zu stellenden rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit,
vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 17.2.2005 - 7 CN 6.04 -, NVwZ 2005, 695, nicht hinnehmbar.
Nichts andere gälte, wenn man das Verständnis des Beklagten in Bezug auf § 2 Abs. 1 seiner Satzung zugrunde legt. Dann läge ein zur Unwirksamkeit dieser Vorschrift führender Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor. Der Beklagte ist bezüglich § 2 Abs. 1 Satz 2 der Auffassung, dass hierdurch die Grundstückseigentümer lediglich zweier Straßenseiten reinigungspflichtig gemacht werden. Folgte man dem, so wäre in den Fällen einfacher Stichstraßen oder Sackgassen - wie im Streitfall - der Vor-Kopf-Anlieger trotz Angrenzens seines Grundstücks an den Straßenkörper von der Reinigungspflicht freigestellt. Selbst wenn man in diesem Zusammenhang dem Ortsgesetzgeber einen Spielraum einräumen wollte (so genanntes normatives Ermessen), vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Beschluss vom 25.7.1989 - 4 NB 21.89 -, NJW 1990, 265; Schl.-H. OVG, Urteil vom 28.2.2000 - 4 K 6/99 -, juris, wäre ein einleuchtender Grund für die Ungleichbehandlung nicht erkennbar. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus Praktikabilitätsgesichtspunkten. Dem Beklagten ist zwar einzuräumen, dass eine derartige Fallgestaltung zu gewissen Abwicklungsschwierigkeiten führen kann. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Vor-Kopf-Anlieger bei fehlender Übertragung der Reinigungspflicht zur Zahlung von Straßenreinigungsgebühren verpflichtet wäre. Um so mehr bedarf es eines stichhaltigen Grundes, um ihn bei der Übertragung der Reinigungspflicht auf die Grundstückseigentümer von der Reinigungspflicht auszunehmen. Eine mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang zu bringende Satzungsgestaltung vorzunehmen, ist Sache des Ortsgesetzgebers.
Die zuvor beschriebene Unvollständigkeit von § 2 Abs. 1 und Abs. 2 der Satzung kann nicht durch Auslegung überwunden werden. § 2 der Satzung ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, wie der Ortsgesetzgeber in Kenntnis der erwähnten Unvollständigkeit die Übertragung der Reinigungspflicht auf die Grundstückseigentümer den Anforderungen des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG genügend geregelt hätte. Dass eine etwaige Ordnungsverfügung zur Bestimmung der Reinigungspflicht (vgl. § 2 Abs. 10 der Satzung) bereits mit Blick auf ihren Zweck, die Durchsetzung einer bereits bestehenden Reinigungsverpflichtung zu gewährleisten, nicht zur rechtsstaatlich gebotenen Bestimmtheit von § 2 Abs. 1 und Abs. 2 der Satzung führen kann, versteht sich von selbst.
Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen weist das Gericht darauf hin, dass im Streitfall - ausgehend von § 2 Abs. 1 der Satzung - dessen Voraussetzungen für die Kläger nicht erfüllt wären. Danach wird die Reinigung der im Straßenreinigungsverzeichnis entsprechend bezeichneten Fahrbahn den Eigentümern der an sie (das ist die Fahrbahn) angrenzenden und durch sie erschlossenen Grundstücke im Bereich der Angrenzung auferlegt. Indem nach § 1 Abs. 1 Satz 6 der Satzung als Gehweg aber auch Fahrbahnränder von Straßen, die - wie hier - auf keiner Seite einen erkennbar abgeteilten bzw. abgegrenzten Gehweg besitzen, in einer Breite von einem Meter fingiert werden, kann das klägerische Grundstück nicht an die Fahrbahn des Stichwegs angrenzen. Das wäre nämlich nur der Fall, wenn es unmittelbar an der Verkehrsfläche gelegen ist. Derartiges ist ausgeschlossen, wenn - wie hier - ein fiktiver Gehweg unmittelbar an das Grundstück grenzt.
Ende der Entscheidung
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